Wettbewerb Gastronomiepavillon Uferpark West, Überlingen
Wettbewerb Gastronomiepavillon Uferpark West, Überlingen

Projektinfos

17_33

Bauherr
Stadt Überlingen

Standort
Überlingen

Wettbewerb
2018

Projektphasen
Wettbewerb
Ausführung

Rechte
Text Hermann Kaufmann + Partner ZT GmbH,
Abbildung Hermann Kaufmann + Partner ZT GmbH

Fachplaner

Gastronomiepavillon Uferpark West, Überlingen

1. Platz

Ortsräumliche Situation

Mit dem Gastronomiepavillon soll ein markanter Knotenpunkt im neu angelegten Uferpark entstehen. Er dient als Anlaufstelle und Aufenthaltsort mit Service-Funktionen für Parkbesucher und Nutzer des angrenzenden Spielplatzes und ist gleichzeitig eine bedeutende Raststätte entlang des stark frequentierten Bodensee-Radwegs. Durch seine Lage als „Haus am See“ wird der Gastronomiepavillon außerdem zum attraktiven Ziel für Überlinger und Gäste der Stadt.

Der Bauplatz wird wesentlich von zwei topografischen Elementen dominiert: nördlich durch den steil aufragenden Molasse-Felsen, und südlich durch freien Blick über den Bodensee. Der Pavillon integriert sich landschaftlich in diese Situation und nimmt Bezüge in beide Richtungen auf.

Baukörpersetzung

Der Pavillon wurde als zweigeschossiger Baukörper mit möglichst geringem Bodenverbrauch an der nördlichen Grenze des Grundstücks platziert. Dadurch bleiben im Süden großzügige Freiflächen erhalten, welche als attraktive Außensitzbereiche mit Seeblick genutzt werden können.

Der Zugang zu Gastronomie und Kiosk orientiert sich zum Stadtzentrum von Überlingen und zu den benachbarten Spielflächen. Der vorgelagerte Platz bietet den Kiosknutzern weitere Sitzgelegenheiten und eine optimale Übersicht auf den benachbarten Spielplatz.

Auch Richtung Westen und Norden öffnet sich der Baukörper und schafft so weitere Anknüpfungspunkte. Vom Innenraum und von der Außenterrasse wird der Blick freigegeben auf das beeindruckende Molasse-Gestein. Zugleich sind auch Einblicke von außen in den Gastraum möglich, die vorbeifahrende Radfahrer zur Rast einladen.

Sämtliche Außenterrassen und Vorzonen werden durch eine vertikal begrünte Dachkonstruktion und horizontale Markisen beschattet. Diese raumbildende und sich den Jahreszeiten anpassende Struktur umhüllt das gesamte Gebäude und verleiht dem Pavillon einen unverwechselbaren architektonischen Ausdruck. Durch die Integration der Dachfläche in die Gesamtgestaltung des Pavillons wird auch auf die exponierte und gut einsehbare Lage unterhalb des Molasse-Felsens reagiert.

Innere Organisation

Alle Servicefunktionen sind in einem kompakt organisierten Kern untergebracht, an welchen sich der großzügig verglaste Gastraum angliedert. Durch seine längliche Proportion können alle Sitzplätze direkt an der Schaufassade zum See hin platziert werden. Die Anlieferung der Küche erfolgt direkt von außen. Da geplant ist Flächen auf dem benachbarten Grundstück der Bahn zur Lagerung von Müll zu nutzen, konnten die Lagerflächen innerhalb des Gebäudes reduziert werden.

Die Sanitär- und Personalräume befinden sich im Obergeschoss, wodurch der Fußabdruck des Gebäudes möglichst klein gehalten werden konnte. Über einen separaten Außenzugang können auch die öffentlichen Toiletten und der Taucherraum unabhängig vom Betrieb der Gastronomie erreicht werden. Durch intelligent gestaffelte Raumhöhen kann somit der Platz über den niedrigeren Nebenräumen im Erdgeschoss optimal genutzt werden.

Durch die stark witterungsabhängige Nachfrage ist das Gebäude auch dahingehend konzipiert sich an verschiedene Besuchermengen anzupassen. Durch flexible Trennwände kann der Gastraum in verschiedene Bereiche abgetrennt werden. Auch ist es möglich, für Gruppen und Feiern einen abgetrennten Raum zu schaffen. Während die Freiflächen in den Sommermonaten großzügig bespielt werden, können die bewirteten Flächen und der Personaleinsatz an besucherschwachen Tagen auf ein Minimum reduziert werden, ohne dabei an Attraktivität zu verlieren. Der Kiosk „dockt“ zudem direkt an Küche und den Gastronomietresen an, was zusätzliche Synergien schafft. Zusammengenommen bieten sich so optimale Grundlagen um das Gebäude möglichst 365 Tage im Jahr zu betreiben.

Landesgartenschau 2020

Während der Landesgartenschau soll der Gastraum des Pavillons als Ausstellungsfläche genutzt werden. Zur Unterbringung der Landesgartenschau-Gastronomie wird der Bau durch temporäre Raummodule ergänzt. Die Küchen- und Lagerflächen des dauerhaften Baus können bereits für die Gastronomie voll genutzt werden. Durch einen überdachten Übergang wird eine schwellenlose Verbindung in den Erweiterungsbau geschaffen, der sowohl eine erweiterte Küchenfläche für das Finishing und Anrichten der Speisen sowie den kompletten Gastraum beherbergt. Durch die Abwicklung der Gastronomie nach dem Orderman-Konzept ist von einem reduzierten Flächenbedarf für den Gastraum auszugehen. Die Flächen der Ausschreibung wurden dahingehend angepasst. Der Außensitzbereich wird durch den Einsatz temporärer Holzroste erweitert.

Durch die Verbindung von Pavillon und Gartenschau-Gastronomie zu einem architektonischen Ensemble mit vielfältigen räumlichen Bezügen nach innen und außen, entstehen sowohl funktionale Synergien als auch eine klar definierte bauliche Situation, welche den eigentlich temporären Charakter lediglich erahnen lässt. Durch die räumliche Ausbildung von klar lesbaren Zugängen an der Ost-, Nord-, und Südseite wir das Gebäudeensemble auch direkt an den geplanten Rundweg während der Landesgartenschau angebunden.

Außenraum Innenraum

Die Platzflächen um den Pavillon werden als zusammenhängende, inselartige Fläche gestaltet welche die organische Formensprache des Uferparks aufgreift. Dem Materialkonzept des Parks entsprechend, soll dieser Hartbelag mit Zuschlägen vom lokalen Molasse-Felsen hergestellt werden.

Das Gebäude ist als nachhaltiger Holzbau konzipiert mit ökologischen Materialien und guten Wärmedämmeigenschaften. Das Gebäude und die Innenoberflächen sind mit einer schlichten Holzfassade verkleidet. Die Gasträume sind großzügig verglast und durch die Schiebetüren kann der Innenraum in den Sommermonaten großflächig zu den vorgelagerten Terrassenflächen geöffnet werden.

Fassade

Eine stützenfrei abgehängte filigrane Stahlkonstruktion umhüllt den gesamten Baukörper. Diese ist mit einem durchlässigen Seilnetz umhüllt, das zudem als Rankhilfe für Kletterpflanzen dient und als raumbildendes Element das Gebäude fasst. Diese leichte und blickdurchlässige Konstruktion ist einerseits Gestaltungselement und bietet gleichzeitig Durchblicke auf die Holzfassade des Gastronomiepavillons. Die Dichte der Bepflanzung ist spielerisch und je nach Situation steuerbar. Es sind sowohl dicht bepflanztete als auch kaum bepflanzte Bereiche, z.B. an der Nordseite möglich. Durch verschiedene Pflanzarten können punktuell farbige Akzente gesetzt werden. Zu verschiedenen Jahreszeiten ergibt sich ein sich wechselndes Bild. Eine dichtere Begrünung im Sommer sorgt für eine angenehme Beschattung der Terrassen, während die winterliche Vegetation mehr direktes Sonnenlicht in den Gastraum gelangen lässt. Durch diesen „natürlichen Filter“ tritt das Gebäude in Dialog mit dem umliegenden Park. Der Pavillon unterstützt in seiner Materialität die von der Landesgartenschau angestrebte Vermittlung ökologischer Werte und bildet so einen identitätsstiftenden Ort der Begegnung im zentralen Bereich des neuen Bürgerparks.

Die Fassadenbegrünung mit Kletterpflanzen ist eine seit Beginn der Architektur angewandte Technik. Sie weist viele regionale Besonderheiten auf und kann mit relativ geringen Zeitaufwand an nahezu allen Fassaden erfolgreich angewendet werden. Die Verschattung, die durch eine begrünte Pergola erzielt wird, wird zudem als sehr angenehm empfunden. Der Grund liegt im besseren Mikroklima, das durch den Verdunstungsprozess der Pflanzen verursacht wird.

Für die Begrünung des umlaufenden vertikalen Schirms in diesem Projekt wird eine bodengebundene Fassadenbegrünung mit Kletterpflanzen, einer Kombination aus Wein, Clematis und Glyzinie vorgeschlagen. Der Vorteil der Kletterpflanzen liegt in ihrem überschaubaren Pflegeaufwand und den relativ geringen Kosten. Beim Projekt MFO Park in Zürich wurden verschiedene Arten an Kletterpflanzen bereits getestet, womit die Zuverlässigkeit einer entsprechenden Artenwahl gegeben ist. Auch in verschiedenen weiteren Forschungsprojekten (Berlin-Adlersdorf, Paul-Lincke-Ufer Berlin) wurde das Wuchsverhalten von Kletterpflanzen inzwischen ausführlich beobachtet, sodass Pflegekosten und Wuchsverhalten gut vorhersehbar sind.
Die bodengebundene Fassadenbegrünung wurzelt in einer großzügig dimensionierten Pflanzgrube. Um deren Oberfläche minimal zu halten, ist sie gemäß Richtlinie FLL als zweiteilige Baumgrube mit einem Unterbau aus gut durchwurzel- und überbaubarem Substrat konzipiert. Ein technisches Bewässerungssystem ist nicht notwendig, da mit Oberflächenwässern und einer anfänglichen Entwicklungspflege durch den Gärtner gearbeitet werden kann.

Die Kletterhilfen bestehen aus robusten Edelstahlnetzen, was die Forderung nach einer dauerhaften und wartungsarmen Lösung erfüllt und dafür sorgt, dass der Zuwachs (1m jährlich bei Glyzinie) auch flächig dirigiert werden kann. Das System beinhaltet eine Nachspannmöglichkeit, um die Spannungen, die von den Pflanzen verursacht werden, zu kompensieren.

Für die eigentliche Dachfläche wird ist eine extensive Begrünung vorgesehen (evtl. mit integrierter Dachterrasse). Der vom Schirm gefasste Außensitzbereich kann zudem in der Horizontalen mit einer elektrisch ansteuerbaren Markise individuell beschattet werden.

Die typischen Kletterpflanzen wie wilder Wein sind sehr pflegearm. Jedoch sollten einige gärtnerische Arbeiten mit einkalkuliert werden: voraussichtlich muss der Pflanzenschirm ein- bis zweimal pro Jahr bearbeitet werden (Schnitt, Kontrolle der Biomasse, Totholz). Für den Untergrund der Gastroinsel ist ein sickerfähiger und belastbarer Untergrund vorgesehen, der farblich auf das benachbarte Molasse-Gestein abgestimmt ist. Dieser kann problemlos von den entsprechenden Arbeitsfahrzeugen zur Wartung des Pflanzenschirms befahren werden.

Vergleichbar mit dem Projekt Swiss Re in München wird das Wachstum der Pflanzen dahingehend gelenkt, dass bei den jährlichen Rückschnitten die unteren Bereiche von Ästen und Blättern befreit werden, sodass in diesem Bereich ein breiter Blick auf den See möglich ist. Im oberen Bereich wird sich die benetzte Fachwerkkonstruktion mit der Zeit in einen üppig bewachsenen Blätterschirm verwandeln.

Die Kletterpflanzen können beim entsprechenden Fachhändler in einer Höhe von bis zu 4,5 m bestellt werden. Bei einer zeitnahen Reservierung im Frühjahr könnten die Pflanzen bis zu Beginn der Landesgartenschau bereits eine Höhe von 5,5 m und eine Breite von ca. 70 cm erreicht haben. Damit würde die Gartenschau den Startpunkt des Wachstumsprozesses markieren. Die Tragstruktur wäre zu großen Teilen noch sichtbar. Die Pflanzen sind im unteren Bereich bereits entlaubt und beginnen sich über den Netzschirm zu verteilen. Es bietet sich bereits jetzt ein vielfältiges Bild. Die Netzstruktur bildet eine leere Leinwand für den Gartenkünstler, der aus der Palette der Blüten ein sich ständig wechselndes Bild erschafft.

Wesentliche Änderungen gegenüber Phase 1

Das Konzept für den Pavillon bietet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten und Flexibilität im weiteren Planungsprozess. Von den möglichen Ausführungsvarianten wurden zwei Möglichkeiten ausgearbeitet. Variante 1 ist die Überarbeitung des bisherigen einfachen Konzepts, bei dem die Küche auf einer Ebene organisiert ist. Variante 2 zeigt eine Maximalausstattung mit Dachterrasse und Aufzug. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten bietet der Entwurf zahlreiche Möglichkeiten, um auf Nutzerwünsche einzugehen.

Variante 1

In der Überarbeitung wurde für diese Variante der Taucherraum ins Erdgeschoss verlegt. Zudem wird in der Nähe des Kiosks ein zweites barrierefreies WC angeboten sowie ein zusätzlicher Raum, der als Wickelraum oder Umkleide genutzt werden kann. Somit ist für mobilitätseingeschränkte Menschen und Eltern mit kleinen Kindern auf kurzem Wege ausreichend Platz geboten. Ein erweitertes Angebot an Sanitäreinrichtungen befindet sich weiterhin im 1. OG. Die Küche funktioniert hier optimal organisiert auf einer Ebene. Das Dach ist extensiv begrünt und nicht begehbar.

Variante 2

Variante 2 berücksichtigt den Wunsch der Auswahlkommission nach einer gastronomisch nutzbaren Dachterrasse. Kritisch ist hierbei jedoch zu hinterfragen, ob sich dieses erweiterte gastronomische Angebot in der Nachnutzung wirtschaftlich führen lässt. Die Dachterrasse kann mit Hilfe eines Aufzugs barrierefrei erreicht werden. Taucherraum und sämtliche öffentlichen Sanitärflächen befinden sich im EG und können von außen unabhängig von der Gastronomie erschlossen werden. Im Gegenzug wurden einige Lagerflächen ins 1. OG verlegt, die nun mit dem Aufzug an die Küche angeschlossen sind. Der Aufzug dient v.a. zu Servicezwecken, kann aber auf Nachfrage auch von mobilitätseingeschränkten Menschen genutzt werden, um auf die Dachterrasse zu gelangen. Das Dach wird regulär entweder über eine in den Blätterschirm integrierte Außentreppe oder vom Gastraum aus über das innenliegende Treppenhaus erschlossen werden. Der Bereich über der Gastronomie wird auf dem Dach als begehbare Dachterrasse ausgebildet, die Flächen über Küche und Nebenräumen werden extensiv begrünt.

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